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Beitrag vom 24.04.2018
Louise Bourgeois - The Empty House
AVIVA-Redaktion
Die Ausstellung vom 21. April – 29. Juli 2018 im Schinkel Pavillon zeigt einige der komplexesten Werke der Künstlerin, darunter Skulpturen und Aquarelle, oder die "sack forms", die Bourgeois seit 1991 anfertigte. Louise Bourgeois war Pionierin der Installation, Wegbereiterin einer feministischen Kunst, Vorbild für Generationen von KünstlerInnen – eine der mutigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts.
Mit The Empty House widmet der Schinkel Pavillon ihr nun eine Einzelausstellung und zeigt erstmalig in dieser Konzentration ihre "sack forms", hohle oder gefüllte, transparente oder blickdichte Stoffbeutel.
Seit Anfang der 1990er-Jahre setzte sich Bourgeois in ihren Schriften mit der Form des Sacks auseinander, seit den 2000er-Jahren tauchen Säcke regelmäßig in ihren Skulpturen auf. Für Bourgeois sind sie zugleich architektonische Entitäten und Repräsentationen des weiblichen Körpers in den verschiedenen Stadien des Werdens und Vergehens. Ein leerer Sack – ein leeres Haus; aber eben auch: unfruchtbare Frau, Frau ohne Milch. Ein voller Sack – das Gegenteil. Die zentralen Themen in ihrem Jahrhundertleben und -werk tauchen hier auf: Körperlichkeit und Geschlechterzuweisung, Gegenstände als Speicher, als buchstäbliche Behälter von Erinnerung, psychosoziale Effekte auf den Körper, nicht zuletzt Modelle der Selbstbehauptung als Frau und Künstlerin.
Das Zentrum des gläsernen Oktogons nimmt das Beispiel einer "Zelle" ein. Als architektonische Elemente sind die "sack forms" mit den raumgreifenden "cells" (Zellen) verwandt, die Bourgeois seit 1991 anfertigte. Sie gehören zu den komplexesten Werken der Künstlerin und repräsentieren laut Bourgeois "verschiedene Arten von Schmerz: physischen, emotionalen, psychologischen, geistigen und intellektuellen Schmerz … Jede Zelle befasst sich mit dem Genuss des Voyeurs, mit dem Reiz des Sehens und Gesehenwerdens."
Eine dieser Cells ist auch im Schinkel Pavillon zu sehen, Peaux de lapins, chiffons ferrailles à vendre (2006). Der ovale Käfig aus Eisengitter fungiert als hoch emotionaler – und körperlicher – Erinnerungsraum: Teils an Ketten herabhängende Säcke aus chiffonartigen, haut- und rosafarbenen Stoffe erinnern an Organe, Membrane, Körper- oder Geschlechtsteile, an Gebärmuttern, (leere) Brüste oder Skrota. Materie und Hülle zugleich, hängen sie fleischlos schlaff herab wie eine alte Haut, die bald keinen Körper mehr umhüllt. Eine schlanke Säule aus übereinandergestapelten Marmorfragmenten wirkt in diesem Umfeld wie eine Wirbelsäule, von der sich das Fleisch gelöst hat.
In der Skulptur Umbilical Cord (2003), vier Glasvitrinen aus den Jahren 2005–10 und einer Serie von Aquarellen (2007/8), die allesamt im Erdgeschoss des Schinkel Pavillons gezeigt werden, setzt sich Bourgeois´ Auseinandersetzung mit Geburt und Tod fort. Die vier Vitrinen, die im Schinkel Pavillon erstmals zusammen gezeigt werden, erscheinen wie konzentrierte Destillate ihrer Zellen. Bestimmte Motive wie die Säule oder die Stoffsäcke werden hier variiert.
Die letzte dieser Vitrinen entstand 2010, kurz vor ihrem Tod. Kunst und Leben sind hier schier unentwirrbar miteinander verknotet. Denn darin finden sich einige der Berets, die Bourgeois Zeit ihres Lebens getragen hatte. Die Künstlerin hat sie abgenommen, hat sie ausgestopft und miteinander zu einem Selbstporträt in Form wuchernder Brüste vernäht. Voll und prall; und eben nicht: leer und schlaff.
Bei näherem Hinsehen offenbart sich auch hier das immer wiederkehrende Thema der Künstlerin Louise Bourgeois, die der "Spiders"-Skulpturen, die in den 1980er Jahren entstanden: Riesige, bedrohlich wirkende Spinnen aus Stahl, die ihren Weg aus dem Atelier in Museen und auf öffentliche Plätze der ganzen Welt antraten. Die größte heißt "Maman", aber was auf den ersten Blick an eine traumatische Mutter-Tochter-Beziehung denken lässt, ist in der Formsprache Bourgois´ eine ganz andere Metapher: Die Spinne verkörperte für sie die Lebenseinstellung, ihrer Mutter, die Weberin war: "I do, I undo, I redo. Dieses Motto, die Fähigkeit die eigene Umwelt immer wieder zu gestalten, zu zerstören und zu reproduzieren, hat Louise Bourgeois übernommen. Die Mutter war für sie Freundin, Vertraute und Verbündete gegen den Vater, der eine Tochter nicht ernst nahm und die Mutter jahrelang betrogen hatte. Mit der Nanny und Englisch-Lehrerin der Kinder.
"I am a searcher...
I always was...and I still am...
searching for the missing piece."
(Louise Bourgeois)
Zur Künstlerin: Louise Bourgeois wurde als Louise Joséphine Bourgeois am 25. Dezember 1911 in Paris geboren. Louise Bourgeois starb am 31. Mai 2010 in New York. Sie arbeitete vor allem als Bildhauerin und war eine der ersten KünstlerInnen, die sich mit Installationen auseinandersetzten. 1938 emigrierte sie gemeinsam mit ihrem Mann, dem Kunsthistoriker Robert Goldwater nach New York, wo sie erst ab Ende der 1980er Jahre internationale Beachtung als Kunstschaffende fand und zur Identifikationsfigur für zahlreiche amerikanische KünstlerInnen wurde.
AVIVA-Berlin: Verstörend schön und explosiv-provokativ sind die Werke dieser Ausnahmekünstlerin, für die das Künstlerische auch und vor allem zeitlebens feministisch und politisch war. Großartig in Szene gesetzt, gut durchdacht, ist diese Ausstellung dieser großartigen Künstlerin im Schinkel Pavillon. "The Empty House" liefert vielfältige Impulse, sich noch intensiver und tiefer mit Louise Bourgeois beschäftigen.
Louise Bourgeois - The Empty House
Ausstellungsdauer: 21. April – 29. Juli 2018
Ausstellungsort: Schinkel Pavillon e.V.
Oberwallstraße 1
10117 Berlin
Öffnungszeiten: Do-So 12-18 Uhr
Öffnungszeiten GALLERY WEEKEND (26. – 29. April 2018): Do-Fri 12-21 Uhr, Sa-Sun 12-19 Uhr
Eintritt: 4 € / ermäßigt 3 €
Mehr Infos: www.schinkelpavillon.de
Mehr Infos zu Louise Bourgeoisunter: www.moma.org
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Copyright Fotos: Sharon Adler & Shlomit Lehavi